Ist der DAX schon reif für die Rente?
Ein Index altert nicht. Er wird permanent verjüngt. Leider werden die Frischzellen gerade knapp.
12/15/20252 min read


Der DAX hatte ein gutes Jahr. Sagen die Schlagzeilen. Der DAX hatte ein schlechtes Jahr. Sagen nüchterne Beobachter. Beides stimmt – und genau darin liegt das Problem. Denn der DAX ist kein Unternehmen, kein Mensch und schon gar kein ehrlicher Spiegel der Realität. Er ist eher wie ein Klassendurchschnitt, bei dem schlechte Schüler regelmäßig von der Schule fliegen und durch neue Hoffnungsträger ersetzt werden. Der Notenschnitt bleibt hübsch. Die Geschichte dahinter eher nicht. Willkommen im Maschinenraum der Finanzwelt.
Was viele vergessen: Ein Index altert nicht. Er wird permanent verjüngt. Firmen, die schwächeln, verschwinden still und leise aus dem Index. Andere rücken nach. Frisches Kapital, frische Story, frische Fantasie. Das nennt man dann „Rebalancing“ – klingt technisch, ist aber im Kern nichts anderes als ein Austauschprogramm für Problemfälle. Stell dir vor, du bewertest deine eigene Schulzeit so: „Mein Abischnitt war stabil gut – ich habe einfach die Fächer gestrichen, in denen ich schlecht war.“ So in etwa funktioniert ein Index.
Nur läuft dieses Austauschprogramm nur dann rund, wenn überhaupt jemand nachrückt. Und genau daran mangelt es. Frisches Blut kommt kaum noch. In diesem Jahr schafften es gerade einmal drei relevante Börsengänge über die Ziellinie – für einen Leitindex, der sich permanent erneuern soll, ist das weniger Evolution als vielmehr Bestandsverwaltung. Während der DAX also fleißig intern rotiert, bleiben neue Ideen außen vor. Besonders dort, wo Zukunft entstehen müsste – Technologie, Plattformmodelle, skalierbares Wachstum – herrscht tiefe Stille.
Der Blick über den Atlantik macht das Problem noch deutlicher. In den USA ist der Kapitalmarkt ein Durchlauferhitzer: Neue Unternehmen kommen regelmäßig, alte verschwinden, Wachstum wird belohnt, Stillstand aussortiert. Die Nasdaq ist kein Archiv, sie ist ein Experimentierfeld. Der DAX dagegen wirkt zunehmend wie ein Museum mit wechselnder Hängung. Bekannte Namen werden neu gewichtet, alte Geschichten neu erzählt – aber echte neue Kapitel entstehen selten. Quintessenz: Der DAX läuft – sein Antrieb: nicht Kraft, sondern Routine. Sehr deutsch, möchte man fast sagen.
Wer den DAX also für ein Abbild wirtschaftlicher Vitalität hält, verwechselt Pflege mit Fortschritt. Der Index bleibt beweglich, weil er gestützt wird, nicht weil er vor Energie strotzt. Er funktioniert, solange man ihn regelmäßig nachjustiert, neu gewichtet und am Leben hält. Das ist kein Skandal, sondern System. Nur sollte man auf keinen Fall anfangen, daraus Zukunft zu lesen. Indizes sind gut darin, Vergangenheit zu verwalten. Wachstum entsteht woanders. Und wer das versteht, hört auf, sich an Schlagzeilen festzuhalten – und beginnt, genauer hinzusehen.
Also suchen Sie am besten nach frischem Blut!


Kontakt
Schreib uns, wenn du Fragen, Ideen oder eine gute Geschichte hast.
kontakt@bestloserswin.de
© 2025. All rights reserved.
Bitte beachten: Diese Website bietet keine Anlageberatung. Inhalte dienen ausschließlich der Unterhaltung und allgemeinen Information.